„Jeden Morgen bringe ich meine Tochter mit dem Fahrrad zum Kindergarten ,Auf dem Vogelbaum‘. Der Grünegräser Weg und seine Verlängerungen sind sowohl für mich als auch viele andere morgendliche Mitradler täglich die Hauptverkehrsader, über die verschiedene Kindergärten, Schulen und Arbeitsplätze auf direktem Wege mit dem Fahrrad angefahren werden. Dass die Luft jeden Morgen abgasgeschwängert ist, empfinde ich dabei als äußerst unangenehm. Auch möchte ich es nicht mehr hinnehmen müssen, dass ich auf dem Fahrrad Bittsteller für meine eigene Vorfahrt zu sein scheine. Morgendliche Elterntaxis zeigen einem den Vogel, während sie ungeduldig meine Vorfahrt ignorieren, hupen, von hinten kommend, laut, bis mein Kind im Fahrradsitz weint, überholen zum Teil lebensgefährlich, weil es ihrer Ansicht nach wohl zu langsam vorwärtsgeht und der Gegenverkehr nicht viel Platz zum Überholen bietet. Die (unerlaubte!) Flucht auf den Fußweg habe ich mir bereits angewöhnt. Besonders spannend wird es aber, wenn Mülltonnen den schmalen Fußweg verengen (es gibt keinen Radweg auf dem gesamten Bramscher Berg!). Gleichzeitig zeichnet sich mit der dunklen Jahreszeit ein neuer Trend ab: Eltern bringen das eigene Kind bequem mit dem Auto zur Bushaltestelle und parken direkt gegenüber. Der Motor läuft, die Abgase sind ja draußen, der Fußweg eignet sich toll zum Parken. Der leere (!) Bus wartet dabei schon immer mit laufendem Motor auf Höhe Justus-Bäckerei und drückt fleißig Dieselluft auf die tägliche Radstrecke. Ich halte die Luft an und fahre daran vorbei. Meine 3-jährige Tochter kann auch schon die Luft anhalten.
Bramsche hat einen Bürgermeister, der fast täglich mit dem Rad in den Dienst fährt, eine Grünen-Politikerin, die im Bundestag sitzt, und seit Jahrzehnten (!) eine sich deutlich abzeichnende Fahrradachse, über welche (nicht nur) die für Kinder täglich wichtigsten Ziele per Rad angesteuert werden. Wie viele Standortvorteile braucht man noch, um die verkehrspolitisch grüne Zukunft unserer Stadt schnell voranzutreiben?
Faulheit und Bequemlichkeit in Form von mit dem Auto zurückgelegter Kurzstrecken werden immer noch zulasten der immer mehr werdenden, zukunftsorientierten Radfahrer toleriert. Das (Un-)Recht des stärkeren Autofahrers wird jeden Tag auf der FAHRRADachse zelebriert. Solange Autos auf der Ideallinie Vorfahrt haben, wird sich die Mobilität nicht in Richtung Zukunft entwickeln. Da reicht auch ein Fahrradklima-Test nicht aus. Handeln Sie bitte! Jetzt.“
Christoph Asselmeyer Bramsche
Leserbrief Bramscher Nachrichten vom 10.11.2020.